Verwaltungshandeln hinterfragen

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Eine Meinung von Martin Siemer Wildeshausen.

Die Merkwürdigkeiten in Wildeshausen nehmen kein Ende. Da verschwindet mitten in der Gildefestwoche das ehemalige Iverssen-Haus in Sichtweite zum Bahnhof. Eben jenes Gebäude, für dessen Erhalt sich die Politik ausgesprochen hatte. Ob der Abbruch rechtens ist, bleibt zu klären, gegebenenfalls auch juristisch. Bemerkenswert ist jedoch die Vorgeschichte, wie sie sich bislang aus den Berichten der örtlichen Tageszeitungen entnehmen lässt. Der Investor, der an besagter Stelle einen Neubau errichten möchte, wird im Stadthaus vorstellig und stellt seine Pläne vor. Wann dies geschehen ist, ist erst einmal zweitrangig. Ob schon im Dezember 2022, wie in einem Artikel der Wildeshauser Zeitung zu lesen war, oder erst im Frühjahr 2023. Denn was in keinster Weise nachzuvollziehen ist, ist die Tatsache, dass in der Verwaltung im Stadthaus offenbar niemand Bedenken gegen einen Abriss hat. Und das, obwohl es einen Ratsbeschluss vom 13. Oktober 2022 gibt, im dem sich die gewählten Abgeordneten mit 26 Ja Stimmen, bei einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen für das überarbeitete Stadtentwicklungskonzept 2030+ aussprechen.

Darin heißt es:

„Zielsetzung ist fortan eine „bauliche Historisierung“ in der Wildeshauser Innenstadt. Beabsichtigt ist dabei, einen Bereich „Altstadt“ innerhalb der Wallanlagen als Entwicklungsgebiet abzugrenzen. Der durch Wallanlagen und Hunte umschlossene „historische“ Innenstadtbereich wird dementsprechend als vorrangiges Entwicklungsgebiet dieses Konzeptes definiert. Mit jedem Gebäude, das dem historischen Stadtkern entnommen wird, verschwindet jeweils ein Stück Stadtgeschichte - und ein Kulturgut. Hier hat die Innenstadt in den letzten Jahren leider viele historische Gebäude verloren, die die Stadt geprägt haben. Der Erhalt und die Sanierung der noch vorhandenen historischen Gebäudesubstanz besitzt ab sofort Priorität, um das historische Stadtbild zu erhalten und neu hervorzuheben. Denn nur durch den Erhalt seiner historischen Bebauung bleibt Wildeshausen individuell und charakteristisch, mit der Folge einer gesteigerten Aufenthaltsqualität im Bereich der Innenstadt.“

Zwar wird diese Aussage im nächsten Absatz des Städtebaulichen Konzepts auf den Bereich innerhalb des Stadtwalls eingeschränkt. Doch wenn ein Gebäude in Sichtweite des historischen Bahnhofs zur Disposition steht, dann sollte man als Verwaltung reagieren. Dies ist offenkundig nicht geschehen. Bedenken gegen einen Abriss wurden zunächst nicht geäußert, wie es in mehreren Presseberichten zu lesen war. Eine Richtigstellung dieser Aussagen gab es seitens der Verwaltung nicht.

Über die Beweggründe der Untätigkeit mag man spekulieren. Vielleicht war der Inhalt des Städtebaulichen Konzepts 2030+ in der Verwaltung nicht im Detail bekannt. Es kann aber auch sein, dass im Stadthaus eine eigene Agenda verfolgt wird. Es gibt gleich mehrere Beispiele, die dieses belegen könnten.

Da ist zum einen der Auftrag der Politik an die Verwaltung, Vorschläge für mehr sozialen Wohnungsraum zu erstellen. Dies geschieht über Monate hinweg nicht.

Oder das wieder eingeführte historische Stadtwappen als Logo für die Kreisstadt. 2019 mit mit hohem finanziellen Aufwand eine neue Dachmarke mit einem stilisierten Rathausgiebel vorgestellt. Eine offizielle Verpflichtung der städtischen zur Nutzung dieses neuen Logos gibt es jedoch nicht. Das bestätigte Stadtsprecher Hans Ufferfilge auf meine Nachfrage am 23. August 2022. Ich hatte seinerzeit angefragt, warum die im Frühsommer 2022 neu beschafften Feuerwehrfahrzeuge nicht mit dem neuen Logo im ansonsten stilvollen Design versehen sind. Zu dem waren die Fahrzeug an den Türen bereits mit dem historischen Stadtwappen versehen. Und das, obwohl es einen entsprechenden Beschluss erst im Herbst 2022 gab.

Und auch die unzureichende Unterrichtung der Abgeordneten des Stadtrates bei den Beratungen über das Urgeschichtliche Zentrum. Belastbare Zahlen, zum Beispiel zu den Folgekosten, wurden erst auf mehrmaliges Nachfragen einzelner Abgeordneter genannt. Gleichzeitig verlangte der Bürgermeister aber einen Beschuss, damit die Verwaltung weiterarbeiten könne. Und nun der Abriss des Iverssen-Hauses.

Warum sich der von den Bürgerinnen und Bürger gewählte Stadtrat derartig vorführen lässt, mögen die Abgeordneten sich selbst fragen. Für die Zukunft Wildeshausens wäre es wünschenswert, wenn eine weitsichtige Politik erfolgt, die nicht nur bis zum nächste Wahltermin reicht. Die die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt. Und zwar, bevor Entscheidungen getroffen werden. Egal, ob von Politik oder Verwaltung.

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